Textatelier
BLOG vom: 26.06.2006

Regionalisierung mit positiven Folgen: Bio-Marché Zofingen

Autor: Walter Hess
 
Die Landwirte im kleinen und mittleren Sektor haben die Wahl: Entweder lassen sie sich etwas einfallen oder sie segnen das Zeitliche, auf dass Raum (Landwirtschaftswüsten) für vollrationalisiert produzierten Gentechschrott geschaffen werde. Dieser hat dann alle Voraussetzungen, dass das Krankheitswesen einen zusätzlichen Schub erhält. Die Pflanzen mit eingebauten Giften haben schon einiges Gesundheitszerstörungspotenzial.
 
Einen schönen Überblick über die Ergebnisse des biologischen Nischenschaffens in Ställen, auf dem Freiland mit seinen Äckern und Bäumen gibt alljährlich der Zofinger Bio Marché, der vom 23. bis 25. Juni 2006 zum 7. Mal stattfand und von Jahr zu Jahr wächst. Er wird von der Geschäftsführerin Dorothee Stich als Tatbeweis dafür bewertet, „dass Bio nicht einfach ein kurzfristiger Trend oder Boom ist“, sondern ein Qualitätsbegriff: „Und es kostet nicht die Welt (in doppelter Hinsicht).“
 
Zusammen mit meiner bio-bewussten Ehehälfte habe ich diese ungefährdete Welt abgeklappert, aus gastrosophischem Pflichtbewusstsein intensiv degustiert und dabei über den Fantasiereichtum der naturbewussten, in Nischen tätigen Produzenten gestaunt. Sie waren aus der ganzen Schweiz und den angrenzenden Ländern angereist und haben sogar getrocknete Bananen- und Mangoscheiben aus Burkina Faso in Westafrika mitgebracht (gebana, Zürich). Aufschlussreich war für mich eine Olivenöl-Degustation (das Öl wurde mit Weissbrot aufgetunkt) von sortentypischen Olivenölen wie „Leccino“, „Frantoio“ und „Carolea“ zwischen herb und harmonisch delikat. Auch Olivenöl aus Palästina war zu haben; offenbar haben die Israeli bei ihren Olivenbaum-Zerstörungsaktionen freundlicherweise noch einige Bäume stehen lassen. Auch die palästinensische Gewürzmischung Za’tar war im Angebot.
 
Dass das Biopublikum offenbar aus zahlreichen Dauerwurst-Liebhabern besteht, bekundeten zahlreiche der rund 150 Stände, hinter denen Produzenten standen, die mit Leib und Seele bei der Sache waren. Ein piemontesischer Anbieter beteuerte, dass die Schweine, die für seine Knoblauch- oder Trüffelsalami den Kopf herhalten mussten, alle mit biologisch angebautem und als unbedenklich bescheinigtem Mais, Soja und Kleie ernährt worden seien. Den Salami bewahre man mit Vorteil in einem feuchten Tuch im Kühlschrank auf, aber meistens komme es gar nicht dazu – der Salami verschwindet sofort. Wahrscheinlich hatte er Recht. Unsere Baumwoll-Tragtaschen füllten sich.
 
Biokäse sind oft goldgelb, und sie schmecken würzig, vollmundig, vom Urner Alpkäse bis zu tierfreundlich hergestelltem Parmesano. Die BioMilk AG, CH-3110 Münsingen, bot Joghurts aus Milch von Kühen an, die noch richtige Hörner haben – und natürlich ist solch eine Milch überschäumend vor Glück und entsprechend schmackhaft. Und Spirulina-Produkte (aus der Alge Spirulina platensis) sind Vitamin- und Mineralstoffpakete. Die EGK-Gesundheitskasse, die ein Herz für die Naturheilkunde hat, war ebenfalls vertreten. Doch wer will bei Bio- oder Demeterkost noch krank werden? Die Chance ist verschwindend klein.
 
An einem Stand, an dem junge Österreicher Knabbereien aus der Steiermark wie Kürbiskerne anboten, wagte ich wieder einmal geröstete Sojabohnen zwischen den Zähnen zu zermalmen – Soja ist ja im Übrigen neben Mais jene Feldfrucht, welche die Gentechniker am intensivsten traktiert haben. Zwischenhinein feierte der Handbetrieb Urständ: Man kann sich an Getreidemühlen abrackern, und sogar das Bündnerfleisch wurde mit einer motorlosen Aufschnittmaschine in durchsichtige Scheiben zerlegt. Eine einfache Reitschule mit urtümlichen Holzpferden wurde mit Veloantrieben in Rotation versetzt. So kamen Eltern und Kleinkinder gleichermassen zu ihrem Spass.
 
Spass muss sein. In diese Richtung ging die Begegnung mit Urs Muggli (www.mugg.ch), in dessen seinerzeitigem Restaurant in Baden (Schweiz) wir früher ökologisch getafelt haben und der nun zum Berufsclown mutiert ist. Er erkannte mich, zumal ich keine rote Nase aufgestülpt hatte, ich ihn im ersten Moment weniger. Er ist liebenswürdiger Unternehmer, der in CH-8765 Engi GL „Mugg’s Zirkusstadt“ aufgebaut hat, ein Mitmach-Zirkus für Kinder und Jugendliche, die ihre Ferien lachend, staunend und erlebend gestalten wollen.
 
Was ein richtiger Biologiker ist, der schmiert sich mit Naturkosmetik ein, und auch die Möbel dürfen nicht aus dem Synthetik-Zeitalter stammen. Das gilt selbst für Sitzhängestühle und Hängematten.
 
Und so spielt denn auf dem Bio Marché die Musik – zum Beispiel die Ländlerkapelle Peter Hess, mit der ich nicht verwandt bin, aber deren Klänge (mit Alphorn) dennoch zu schätzen wusste. Und gleich in der Nähe entdeckten wir noch ganz frisch gegrabene Bio-Kartoffeln, mit denen wir den noch verbliebenen Rest an Tragkraft aufbrauchten. Wir machten uns auf den Heimweg, taten auf unserem Gasherd „Geschwellti“ (Pellkartoffeln) über, an Begleitmusik fehlte es nicht: Verschiedene Käsesorten, Holzofenbrot, Salami, Bio-Wein.
 
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